„Bikini Baristas“: Kaffeeausschank, leicht bekleidet - WELT (2024)

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Wer in Seattle einen Espresso oder einem Latte Macchiato trinken will, muss nicht lange danach suchen. Die Stadt im amerikanischen Bundesstaat Washington hat die größte Kaffeehausdichte in Amerika. Etwa 1700 Läden buhlen hier um die koffeinaffinen Kunden.

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Die meisten gehören dabei zu Starbucks, das in der Metropole an der Westküste seinen Firmensitz hat, und andere Ketten wie Tully’s oder Seattle Best Coffee. Die Konkurrenz ist groß. Kleine, unabhängige Anbieter haben es dabei schwer gegen die Riesen der Branche. Um überhaupt eine Chance im Markt zu haben, müssen sie etwas ganz besonderes bieten.

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Das dachte sich auch Marry Kelly, die bereits vor Jahren in Seattle einen Coffee Shop eröffnete, in der die Bedienung in hautengen und lila farbenen Hotpants Cappuccino und andere Koffeindrinks servierte. „Natte Latte“, nannte sie ihren Laden.

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Es erinnerte an die populären „Hooter-Restaurants“, in denen vollbusige Bedienungen in orangenen Shorts Hamburger, Tacos und Hühnchenflügel servieren. Wer sich die Bilder der Coffee Shops im Internet anschaut, kann schnell zu dem Schluss kommen, dass es sich um ein einschlägiges Etablissem*nt handelt und der Ausschank von Kaffee nur ein Nebenprodukt ist.

Auch ein Gegentrend wurde gestartet

Mittlerweile haben viele das Konzept, mit attraktiven und nur leicht bekleideten Frauen Kaffee zu verkaufen, kopiert. Allein in Seattle und Umgebung gibt es heute neben dem allgegenwärtigen Starbucks mehr als 200 Läden, in denen Frauen im Bikini, Lingerie und hochhackigen Pumps bedienen. Sie nennen sich „Cowgirls Espresso“, „Peek A-Brew“ „Knotty Bodies Espresso“, „Grab n’ Go“ oder „Sweet Spot“.

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Auch außerhalb von Amerikas Kaffeemetropole findet die Idee immer mehr Nachahmer. Im Nachbarstaat Oregon gibt es Kaffeebuden mit nur dürftig bekleideter Bedienung, genauso wie in Idaho oder North Carolina. Zuletzt hat in Jacksonville in Florida eine fahrbare Kaffeebude eröffnet, die sich offenbar in Anlehnung an die Körbchengröße ihrer Bedienung „DDlightful Cups Bikini Coffee“ nennt. Mittlerweile gibt es auch eine Gegenbewegung mit „familienfreundlichen Kaffeehäusern“ und zünftig bekleideter Bedienung.

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Doch nicht überall sind die als „Bikini Baristas“ bekannten Coffee Shops willkommen. In Everett, 30 Autominuten nördlich von Seattle und Firmensitz des Flugzugherstellers Boeing, versucht der Stadtrat die halbnackten Bedienungen seit längerem wieder anzuziehen.

„Minimum des Körpers bedecken“

In einem mehrheitlich verabschiedeten Gesetz verlangten die Abgeordneten, dass die Frauen „ein Minimum ihres Körpers bedecken“. Eingeschlossen seien dabei „die Brüste, der Bauch und mindestens 7,62 Zentimeter Bein unterhalb des Pos“. „Die zu viel Haut zeigende Bedienung kann einen Mann in den nächsten Harvey Weinstein verwandeln“, hieß es in Anlehnung an den aktuellen Sexskandal in Hollywood in der Begründung des Stadtrates.

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Unterstützt werden die Verantwortlichen dabei von Mary Anne Layden. „Bedienungen im Bikini werden von starrenden Männer zum Sexobjekt degradiert“, sagt die Psychologin der Universität von Pennsylvania in einem Gutachten für die Stadt Everett. „Der Körper wird zur Ware und Sex zu einem Verkaufsprodukt. Wenn du es aber nicht bekommen kannst, führt das zu sexueller Gewalt.“

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Seit Jahren warnen die Behörden auch vor der Gefahr, dass die Kaffeestände schnell mehr anbieten könnten als nur einen heißen Drink. Vor vier Jahren hatte die Polizei einen Prostitutionsring ausgehoben, der offenbar von zwei Kaffeebunden aus geführt wurde. Vor Gericht stellte sich später heraus, dass die Besitzerin Carmela Panico ihre Läden „Java Juggs“ und „Twin Peaks“ nicht nur zur Vermittlung von Frauen, sondern auch zur Geldwäsche nutzte. Panico war nicht der einzige Fall von Prostitution in den vergangenen Jahren.

Die meisten Männer wollen nur gucken

Amelia Powell, die im Bikini in einem drive-through Stand Kaffee verkauft, sieht die Gefahr von Prostitution eher als gering. „Zwei Prozent meiner Kunden wissen vielleicht nicht, wann sie eine Grenze überschreiten“, sagt die 24-Jährige. „Es gibt immer mal jemanden, der aggressiv wird, wenn du ihm deine Brüste nicht zeigst oder ihnen deine Telefonnummer verweigerst.“ Beides dürfe sie nicht machen. Die allermeisten Männer wollten aber gar nichts von einem und seien sehr nett.

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„Ich habe Stammkunden, die verheiratet sind und die mir von ihrem Job oder ihrer Familie erzählen“, sagt Powell. Und wenn doch einmal was passiert, zeige sie immer auf die Überwachungskamera, die alles, was beim Ausschank passiert, aufnehme. „Ich hatte mal einen, der in offener Hose vorfuhr“, erinnert sie sich an einen Vorfall.

Der sei schnell wieder abgehauen als sie ihm gesagt habe, dass er gerade gefilmt werde. Und wenn einer mal doch zu aufdringlich werde, habe sie in ihrer Schublade Pfefferspray und einen elektrischen Teaser immer griffbereit.

Fast 100.000 Dollar pro Jahr

Seit sechs Jahren arbeitet Powell als „Bikini Barista“ in Everett und finanziert damit ihr Studium der Politischen Wissenschaften. „Ich mache hier am Tag 100 Dollar allein durch Trinkgeld“, sagt sie. Dazu kämen 11,50 Dollar pro Stunde Mindestlohn. „Ich arbeite 25 Stunden in der Woche und verdiene mehr als meine Freunde, die einen Vollzeitjob haben.“ Es gibt Berichte von „Bikini-Baristas“, die angeblich fast 100.000 Dollar im Jahr verdienen. Powell spricht von leicht verdientem Geld, auf das sie nicht verzichten will. Die Kleiderordnung lehnt sie wie ihre Kolleginnen ab.

„Hier geht es um die Rechte der Frauen“, sagt Natalie Bjerk, eine andere „Bikini Barista“. „Die Stadt kann mir doch nicht vorschreiben, was ich tragen darf oder nicht.“ So sieht das auch Derek Newman. Der Rechtsanwalt hatte im Namen von sieben Bedienungen und einer Coffee Shop Besitzerin Klage vor einem Bundesgericht in Everett gegen den „Dress Code“ eingelegt. „Das Gesetz verstößt gegen das in der Verfassung verankerte Recht der Meinungsfreiheit.“

Richterin Marsha Pechman hat diesem Einspruch Ende des vergangenen Jahres stattgegeben. In einer vorläufigen Eilentscheidung erlaubte sie den „Bikini Baristas“ das Tragen ihrer leichten Arbeitskleidung. Der Versuch des Stadtrates, die Bedienungen wieder zünftig anzuziehen, nannte sie „höchstwahrscheinlich verfassungswidrig“. „Das ist ein voller Erfolg unserer Mandantinnen“, sagt Newman. Die Stadt Everett will die Entscheidung allerdings nicht akzeptieren und vor der nächsten Instanz weiterklagen.

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Author: Stevie Stamm

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